Tarantole, tammorre e tarantelle (Taranteln, Trommeln und Tarantella): Abende im Zeichen des Tanzens, der Traditionen, der Folklore sowie der volkstümlichen Kultur Mittel- und Süditaliens
In den Regionen Mittel- und Süditaliens, insbesondere in Apulien, Kampanien, Kalabrien und Sizilien, wird das kulturelle Erbe der musikalischen und choreographischen volkstümlichen Traditionen besonders bewahrt. Diese Traditionen sind im Laufe der Jahrtausende aufeinandergetroffen, angefangen von den heidnischen Riten und Festen der urgeschichtlichen bäuerlichen Siedlungen bis zu den im Laufe der Jahrhunderte hinzugekommenen Traditionen der Kolonien der Magna Grecia, mit den Riten für die Heilung durch Musik – typisch der orphischen Spiritualität – und den Einflüssen der sarazenischen Herrschaft.
Unter allen Tänzen Mittel- und Süditaliens ist sicherlich die “pizzica“ der Tanz, der die größte Aufmerksamkeit der Ethnologen erregt hat, weil dieser Tanz dem sonderbaren Phänomen der therapeutischen Praktiken des Tarantismus durch Choreographie und Musik verbunden ist. Bei der Tradition des Tarantismus ist die “tarantata“ (die von der Tarantel besessene) die leidende Person, deren Leid durch den giftigen Biss der “taranta“ (Tarantel) als symbolisches Tier, verursacht ist. In diesem Kontext war für jemanden, bei dem die Symptome des Tarantismus auftraten, die Teilnahme an einem komplexen therapeutischen Ritus die Folge. Mittels einer bestimmten rhythmischen, musikalischen und tänzerischen Inszenierung durch den Trancezustand infolge des langen und mitreißenden Tanzes gelang es, die leidende Person zu heilen. Wie der Ethnologe Ernesto de Martino 1959 in der sehr berühmten ethnographischen Monographie “La Terra del Rimorso“ erläutert hat, darf man bei den Versuchen, das Phänomen zu verstehen, eine multidisziplinare Annährung nicht auslassen. In der Tat ist der Tarantismus ein Phänomen, mit dem sich verschiedene wissenschaftliche Schulrichtungen beschäftigt haben wie: Ethnologie, Psychologie, Geschichte der Religionen, Mythologie, Medizin, Anthropologie, ethnische Musikologie, Zoologie und Psychiatrie.
Die pizzica wie auch andere traditionelle Tänze blieben bis zu den ersten Jahrzehnten der Nachkriegszeit in all ihrer archaischen Vitalität erhalten. Man tanzte die pizzica bei jedem Fest, jedem Ritus und jeder Feier wie Hochzeiten, Festessen oder Patronatsfeier. Man ließ keinen Anlass aus, um sich mit dem Körper auszudrücken, von der Imitation der Bewegungen der Landarbeiten bis zum versöhnlichen Tanz, von der Partnerwerbung bis zum therapeutischen Ritus. In den darauffolgenden Jahren ging dieses Phänomen jedoch verloren. Die junge Generation betrachtete jene Erscheinungen oft als Ausdruck kultureller Rückständigkeit, für die man sich schämen müsste.
Erfreulicherweise haben vereinzelte Gebiete wie der Salento und Kampanien an der Tradition festgehalten, und seit den 90er Jahren ist auch bei der neuen Generation das Interesse daran neu geweckt worden. Es sind neue Tanzgruppen und Tanzschulen entstanden und wurden Feiern mit diesem Thema veranstaltet. Auf diese Weise sind die Pizzica in Salento und die Tammurriata in Kampanien die hauptsächlichen Volkstänze geworden, die in Italien neu entdeckt wurden, die aber in der restlichen Welt noch bekannt zu machen sind.
Unsere Workshops und Konzertabende sind bestrebt , diese fröhlichen, mitreißenden Volkstänze außerhalb der Grenzen Italiens bekannt zu machen, um einerseits einen im Ausland unbekannten italienischen kulturellen Aspekt zu verbreiten und andererseits unseren in Deutschland lebenden Landsleuten die Möglichkeit zu geben, einen wichtigen Teil der eigenen Traditionen wieder zu entdecken oder zu vertiefen.
Die Abende werden mit einem Workshop starten, bei dem die geschichtlichen und anthropologischen Aspekte dieser Volkstänze erläutert sowie die Grundschritte geübt werden. Bei dem anschließenden Konzert kann man dann mittanzen und so die Musik und die Choreographie genießen. In diesem Workshop geht es nicht darum, möglichst viele Schritte zu lernen und sie perfekt zu beherrschen, sondern Ihre eigene Ausdruckskraft und Spontaneität zu entdecken und zu entfalten – und natürlich um den Spaß am Tanzen! Für diejenigen, die ausschließlich an dem musikalischen Aspekt interessiert sind, gibt es die Möglichkeit, lediglich das Abschlusskonzert zu einem reduzierten Preis zu besuchen.
Beispiele von Musik und Tanz
Tammurriata Nera, Tammurriata Guglianese, klassische Tammurriata (Der Tanz fängt nach eine Minute an)
Interessante Dokumentarfilm der Antropologe De Martino (erster Teil – zweiter Teil)